Ich wachte gebrochen und blutend auf, gerade rechtzeitig, um seine Stimme über mir zu hören. Er war nicht allein. Es war seine Geliebte, Chloé.
„Ist sie … weg?“, fragte sie.
„Sie ist tief gefallen“, Markus' Stimme war flach, ohne jede Emotion. „Niemand könnte das überleben. Wenn sie die Leiche finden, wird es wie ein tragischer Unfall aussehen. Die arme, labile Klara, die zu nah an den Rand gewandert ist.“
Die beiläufige Grausamkeit seiner Worte war schlimmer als der Aufprall. Er hatte bereits meinen Nachruf verfasst und die Geschichte meines Todes erfunden, während er mich im Sturm sterben ließ.
Eine Welle der Verzweiflung überkam mich, doch dann entzündete sich etwas anderes: ein weißglühender, rasender Zorn.
Gerade als meine Sicht zu verblassen begann, schnitten Scheinwerfer durch den Regen. Ein Mann stieg aus einem Luxuswagen. Es war nicht Markus. Es war Julian Dorn, der meistgehasste Rivale meines Mannes und der einzige Mann, der Markus vielleicht genauso vernichtet sehen wollte wie ich.
Kapitel 1
Das Erste, was ich wahrnahm, war der Schmerz, eine blendende, unerträgliche Qual, die mein Bein hinaufschoss und hinter meinen Augen explodierte. Das Zweite war der Geruch von nasser Erde und zerdrückten Kiefernnadeln, ein Duft, so dicht, dass es sich anfühlte, als würde ich Schlamm atmen. Meine Wange war gegen etwas Kaltes und vom Regen Glitschiges gedrückt.
Ich blinzelte und versuchte, den Nebel aus meiner Sicht zu vertreiben. Der Regen klebte mein Haar an mein Gesicht, jeder Tropfen ein winziger, eiskalter Schock auf meiner Haut. Über mir, durch ein Gewirr dunkler Äste, war der Himmel ein violettblauer Fleck, aufgewühlt von Sturmwolken. Die Welt war eine Symphonie des Elends: das unerbittliche Trommeln des Regens, das ferne Grollen des Donners und das heisere, verzweifelte Geräusch meines eigenen Atems.
Dann hörte ich Stimmen. Seine Stimme.
„Ist sie … weg?“ Die andere Stimme war weiblich, durchzogen von einer widerlich süßlichen Note, die mir den Magen umdrehte. Chloé.
„Sie ist tief gefallen. Niemand könnte das überleben.“ Markus' Stimme war flach, ohne die Wärme, die er fünf Jahre lang vorgetäuscht hatte. Es war die Stimme eines Mannes, der über ein Geschäft redete, nicht über die Ehefrau, die er gerade versucht hatte zu ermorden.
Mein Verstand taumelte und kämpfte darum, die Zusammenhänge zu erkennen. Das Picknick auf der Klippe. Die Thermoskanne mit dem „besonderen“ Tee, der meinen Kopf schwummrig gemacht hatte. Der plötzliche, brutale Stoß von hinten. Das widerliche Gefühl des Fallens, die Welt, die sich von mir wegdrehte, als die Felsen auf mich zurasten. Es war kein Unfall.
*Er hat das getan. Er hat mich gestoßen.*
Ich versuchte zu schreien, zu rufen, aber nur ein ersticktes Keuchen entkam meinen Lippen. Mein Hals fühlte sich wund an, und ein kupferner Geschmack füllte meinen Mund. Blut.
„Wir sollten gehen“, jammerte Chloé. „Jemand könnte das Auto sehen.“
„Bei diesem Wetter kommt hier niemand hoch“, sagte Markus mit abfälligem Ton. „Sie ist so gut wie tot. Wenn sie die Leiche finden, wird es wie ein tragischer Unfall aussehen. Die arme, labile Klara, die zu nah an den Rand gewandert ist.“
Die beiläufige Grausamkeit seiner Worte war ein physischer Schlag, schlimmer als der Aufprall auf dem Boden. Er hatte bereits meinen Nachruf verfasst, die Geschichte meines Todes erfunden. Der liebende Ehemann, der um seine verstörte Frau trauert. Galle stieg mir in den Hals.
Ihre Schritte knirschten auf dem Kies über mir und verklangen dann. Das Geräusch eines startenden Automotors, und dann das Knirschen der Reifen, die wegfuhren, vom Sturm verschluckt. Sie waren weg. Sie hatten mich zum Sterben zurückgelassen.
Eine Welle kalter, schwarzer Verzweiflung überkam mich, so tief, dass sie fast vollendet hätte, was der Sturz begonnen hatte. Ich lag da und ließ den Regen über mich hinwegspülen, eine zerbrochene Puppe, weggeworfen im Wald. Aber dann entzündete sich ein Funke von etwas anderem in der kalten Dunkelheit meiner Seele. Wut. Ein weißglühender, rasender Zorn, der die Verzweiflung verbrannte. Er würde nicht gewinnen. Ich würde nicht zulassen, dass er mich auslöscht.
Mit meinen Ellbogen begann ich, mich vorwärtszuziehen, weg vom Fuß der Klippe. Jede Bewegung schickte eine neue Welle der Qual durch meinen Körper, aber der Zorn war ein stärkerer Treibstoff. Ich kroch durch das dichte Unterholz, scharfe Zweige und Steine rissen an meinem bereits ruinierten Kleid. Der Stoff, eine weiche Seide, die er mir zu unserem Jahrestag gekauft hatte, war jetzt nur noch ein zerfetzter, schlammverkrusteter Lappen.
Meine Hand schloss sich um etwas Kleines und Hartes im Dreck. Ich zog es heraus, meine Finger taub vor Kälte. Es war ein kleiner, geschnitzter Holzvogel, kunstvoll gearbeitet, seine Oberfläche trotz des Schlamms seltsam glatt und makellos. Er fühlte sich fest und real in meiner Hand an, ein kleines, greifbares Geheimnis inmitten dieses Albtraums. Ohne nachzudenken, schob ich ihn in die Tasche meines dünnen Mantels.
Der Sturm brach mit voller Wucht los. Der Himmel öffnete sich, und der Regen fiel in blendenden Schauern. Die Temperatur sank, und ein heftiger Schauer schüttelte meinen Körper. Unterkühlung setzte ein. Ich verlor den Kampf. Meine Sicht begann sich zu verengen, die Ränder wurden grau. Gerade als ich mich der vordringenden Dunkelheit ergeben wollte, schnitt ein Paar Scheinwerfer durch die regengepeitschten Bäume.
Das Licht war blendend, gnadenlos. Eine elegante, schwarze Luxuslimousine bremste auf der kurvenreichen Straße direkt hinter der Baumgrenze ab. Mein Herz hämmerte gegen meine Rippen. *Sind sie zurückgekommen? Ist Markus zurückgekommen, um sicherzugehen, dass ich tot bin?*
Die Fahrertür öffnete sich, und eine große Gestalt trat heraus, eine Silhouette vor den starken Lichtkegeln. Er bewegte sich mit einer beunruhigenden Anmut, ein Raubtier, das von einem Hindernis auf seinem Weg genervt ist. Er war nicht Markus. Dieser Mann war größer, breiter, seine Anwesenheit strahlte eine kalte, gefährliche Autorität aus.
Als er näher kam, beleuchteten die Scheinwerfer sein Gesicht. Scharfe, aristokratische Züge, dunkles Haar, vom Regen zurückgekämmt, und Augen in der Farbe von Gewitterwolken. Ich kannte dieses Gesicht. Ich hatte es in Magazinen gesehen, in den Finanznachrichten, in den wütenden Blicken, die Markus auf den Fernseher richtete. Julian Dorn. Der skrupellose CEO von Dorn Enterprises, der größte und meistgehasste Rivale meines Mannes.
Er blickte auf mich herab, sein Ausdruck eine Maske kalter Verachtung. In seinen Augen lag kein Mitleid, nur Ärger.
Seine Lippe kräuselte sich zu einem spöttischen Grinsen der Erkenntnis. „Na sieh mal einer an. Klara Wagner. Sieht so aus, als hätten die Spielchen deines Mannes dich endlich eingeholt.“
Er nahm meinen zerbrochenen Zustand zur Kenntnis, das Blut, den Schlamm, den Schrecken in meinen Augen, und sein Ausdruck wurde nicht weicher. Er sah aus, als würde er den Anblick genießen. Er drehte sich um, seine Hand griff nach seiner Autotür, bereit, mich meinem Schicksal zu überlassen.
Panik, roh und ursprünglich, durchströmte mich. Mit dem letzten Rest meiner Kraft stürzte ich vor, meine Finger schlossen sich um das feine Leder seines teuren Schuhs und packten seinen Knöchel. Meine Berührung war ein verzweifelter, schlammiger Fleck auf seiner Perfektion.
Er erstarrte und blickte auf meine Hand hinab, als wäre sie eine Schlange.
„Bitte“, keuchte ich, das Wort riss sich aus meiner Kehle. Meine Augen, weit vor Entsetzen, trafen seine. „Er hat versucht, mich umzubringen.“
Die rohe, unbestreitbare Angst in meiner Stimme schien seine eisige Fassung zu durchbrechen. Seine Hand erstarrte an der Autotür. Er stand da, gefangen zwischen seinem tief sitzenden Hass auf meinen Mann und dem schrecklichen, blutenden Beweis eines Verbrechens direkt zu seinen Füßen. Der Sturm tobte um uns herum, eine passende Kulisse für den Moment, in dem mein Leben in die Hände meines Feindes gelegt wurde.