Als das Keuchen in grausames Flüstern und spöttisches Gelächter überging und meine Welt zerbrach, verschwand Maximilian, mein vermeintlicher Anker. Momente später fand ich ihn, wie er sich mit meiner Stiefschwester Isabelle brüstete und zugab, unsere gesamte Beziehung sei nur ein „unterhaltsames Spielzeug“ gewesen, um meinen Ruin zu inszenieren.
Verraten von dem Mann, den ich liebte, wurde ich wie ein Tier von seinen Freunden in eine dunkle Gasse gezerrt und musste unvorstellbare Qualen erdulden: Chili-Wodka brannte in meiner Kehle, Blitze von Handykameras hielten meinen Schrecken fest und ein glühendes Eisen brannte sich in meine Schulter. Alles zur Belustigung der Öffentlichkeit, abgesegnet von Maximilian, der später kaltblütig Entführer anwies, mich „zu entsorgen“.
Warum hatte er, der Mann, der mich einst gefördert hatte, eine so monströse Grausamkeit inszeniert? Warum hatte er mich gebrochen und gebrandmarkt zurückgelassen und wünschte sich meine Auslöschung? Welches dunkle Geheimnis trieb diese verdrehte Rache an, und konnte ich seiner furchterregenden Besessenheit jemals entkommen?
Dieser rohe, qualvolle Verrat veränderte mich: Ich würde nicht nur überleben, ich würde aus seiner Welt verschwinden, zu meinen eigenen Bedingungen. Ich würde den Ruinen, die er geschaffen hatte, den Rücken kehren, um eine Zukunft zu schmieden, in der ich, Lina, endlich frei sein würde.
Kapitel 1
Die Luft im großen Saal des Richard-Strauss-Konservatoriums summte, ein dichter Nebel aus teurem Parfüm, dem gedämpften Stimmen der Orchesterinstrumente und dem leisen Murmeln der Münchner Elite.
Lina Weber umklammerte ihren Geigenkasten, das abgenutzte Leder ein krasser Gegensatz zu den glitzernden Abendkleidern und scharf geschnittenen Smokings um sie herum.
Dies war die jährliche Spendengala, eine Nacht, die die Musik feiern sollte, aber für Lina feierte sie hauptsächlich Geld und Verbindungen, die sie nicht hatte.
Ihr Stipendium fühlte sich an wie ein Brandmal, das sie von den anderen abhob.
Maximilian von Berg war jedoch ihr Anker. Er stand neben ihr, seine Hand ruhte leicht auf ihrem unteren Rücken, eine Geste selbstverständlichen Besitzes.
Er war Kurator, jung, mächtig, aus einer Familie, deren Name in Gebäude eingraviert war. Und er war, unmöglicherweise, ihrer. So glaubte sie zumindest.
„Entspann dich“, murmelte Maximilian, seine Stimme so sanft wie der Champagner, der reichlich floss. „Du gehörst hierher, Lina.“
Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln und wollte ihm glauben. Aber dann sah sie ihre Stiefschwester, Isabelle von Arnim, durch die Menge gleiten.
Isabelle, eine Pianistin, deren Talent nur von ihrer Beliebtheit und ihrer Verachtung für Lina übertroffen wurde. Ihre Blicke trafen sich, und Isabelles Lippe kräuselte sich kaum merklich, bevor sie sich abwandte, eine stille Zurückweisung, die schmerzte.
Linas Stiefvater, Arthur von Arnim, Isabelles Vater, strahlte seine Tochter an, ohne die Spannung zu bemerken oder sich darum zu scheren. Er priorisierte immer das perfekte Image der Familie.
Plötzlich wurden die Lichter gedimmt. Eine Stille trat ein. Die große Leinwand über der Bühne, die für die Danksagungen an die Spender gedacht war, flackerte auf.
Nicht mit Namen, sondern mit einem körnigen, privaten Video.
Lina stockte der Atem. Das war sie. Ein intimer Moment, eine Szene im Schlafzimmer. Der Ton war leise, aber die Bilder waren unverkennbar. Und der Mann, nur als Silhouette zu sehen, aber von vertrauter Statur, sollte eindeutig Maximilian sein.
Ein kollektives Keuchen ging durch den Saal. Handys leuchteten auf, filmten die Leinwand, filmten Linas Gesicht, aus dem alles Blut wich. Ihr Geigenkasten glitt aus ihren tauben Fingern und klapperte auf den polierten Marmorboden. Das Geräusch war ohrenbetäubend in der plötzlichen, entsetzten Stille.
Dann begann das Flüstern, heimtückisch und grausam.
„Ist das … Lina Weber?“
„Das Stipendiaten-Mädchen?“
„Mit Kurator von Berg? Wie skandalös!“
Gelächter, scharf und spöttisch, brach aus einer Ecke hervor, in der Maximilians Freunde, Konstantin und Julius, standen. Ihre Gesichter leuchteten vor boshafter Freude.
Das Video lief weiter, eine Endlosschleife ihrer tiefsten Demütigung.
Lina fühlte sich wie erstarrt, ihr Körper zitterte, Scham brannte sie von innen heraus. Sie wünschte, der Boden würde sie verschlucken. Wo war Maximilian? Er war doch direkt neben ihr gewesen. Sie suchte verzweifelt die Menge ab. Er war weg.
Sie musste ihn finden. Er würde wissen, was zu tun war. Er würde das in Ordnung bringen. Er brachte immer alles in Ordnung.
Sie stolperte durch die Menge, Gesichter verschwammen, Stimmen wurden zu einer Kakophonie der Verurteilung.
„Schamlos.“
„Benutzt ihren Körper, um voranzukommen.“
„Genau wie ihre Mutter, habe ich gehört.“
Die Erwähnung ihrer Mutter, deren eigene Karriere durch einen Skandal zerstört worden war, war ein neuer Stich ins Herz.
Lina stieß eine schwere Eichentür auf, suchte Zuflucht, suchte Maximilian.
Sie fand sich in einem weniger überfüllten Korridor wieder, der zu den privaten Spender-Lounges führte. Sie brauchte einen Moment, nur einen Moment, um zu atmen, um nachzudenken. Ihre Hände fummelten in ihrer Clutch nach dem kleinen, halbfertigen Schal, den sie für Maximilian strickte.
Ein albernes, von Herzen kommendes Geschenk. Die repetitive Bewegung der Nadeln beruhigte sie normalerweise.
Sie ließ sich auf eine Samtbank in einer schwach beleuchteten Nische sinken, ihre Finger arbeiteten automatisch. Dann hörte sie Stimmen aus der angrenzenden Lounge, die Tür war einen Spaltbreit offen. Maximilians Stimme. Und die von Konstantin und Julius.
„… perfekt ausgeführt, Mann“, sagte Konstantin mit selbstgefälligem Ton. „Sie sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen.“
„Hast du gesehen, wie sie ihre Geige fallen ließ?“, kicherte Julius. „Unbezahlbar.“
Maximilian lachte leise, ein kalter, tiefer Klang, der keine Ähnlichkeit mit dem warmen Lachen hatte, das Lina kannte. „Sie musste eine Lektion lernen. Dass sie Isabelle vor zwei Jahren den Platz beim Solistenkonzert weggeschnappt hat … Isabelle hat das nie verwunden. Das ist nur eine kleine Rache.“
Linas Stricknadeln erstarrten. Ihr Blut gefror in den Adern. Solistenkonzert? Rache? Für Isabelle?
„Also, diese ganze Sache, mit ihr auszugehen, den Helden zu spielen … alles nur Show?“, fragte Konstantin mit einem Hauch von Bewunderung in der Stimme.
„Ein unterhaltsames Spielzeug“, erwiderte Maximilian, seine Stimme triefte vor Verachtung. „Isabelle wollte sie gedemütigt sehen, und ich kümmere mich immer um Isabelle. Außerdem ist das Mädchen viel zu vertrauensselig. Es war fast zu einfach.“
„Was ist mit dem Video? Wer hat es wirklich geleakt?“, drängte Julius.
„Sagen wir einfach, es war eine Gemeinschaftsarbeit“, sagte Maximilian geschmeidig. „Der Punkt ist, die Botschaft ist angekommen.“
Eine Gemeinschaftsarbeit. Seine Worte hallten in der plötzlichen, tosenden Stille von Linas Verstand wider. Der Mann, den sie liebte, der Mann, dem sie vertraute, hatte ihren öffentlichen Ruin inszeniert. Für Isabelle. Wegen eines Wettbewerbs vor zwei Jahren, an dessen Gewinn sie sich kaum erinnerte.
Die Tür zur Lounge schwang weiter auf, und Maximilian trat heraus, seine Freunde im Schlepptau. Er hielt inne, als er Lina sah. Seine Augen, die vor wenigen Augenblicken noch kalt und berechnend waren, weiteten sich in gespielter Überraschung und wurden dann weich vor Sorge.
„Lina! Da bist du ja! Ich habe dich überall gesucht. Geht es dir gut? Was da drin passiert ist, war abscheulich!“
Er eilte zu ihr, legte seinen Arm schützend um ihre Schultern. Konstantin und Julius grinsten hinter ihm.
„Hör nicht auf sie, Lina“, sagte Maximilian, seine Stimme ein beruhigender Balsam, der, dem sie immer vertraut hatte. Er warf einigen verweilenden Schaulustigen einen wütenden Blick zu, die schnell wegschauten. „Ich kümmere mich darum. Ich werde herausfinden, wer dir das angetan hat.“
Seine Berührung fühlte sich an wie Eis auf ihrer Haut. Seine Worte waren eine groteske Parodie auf Trost.
Ihre Gedanken rasten zurück. Vor sechs Monaten, als ein notorisch schwieriger Professor versucht hatte, sie wegen einer Formalität durchfallen zu lassen und damit ihr Stipendium zu gefährden.
Maximilian war eingeschritten, ein charmanter Wohltäter, ein mächtiger Kurator, und hatte die Sache „geregelt“.
Danach hatte er sie zum Abendessen ausgeführt und ihr gesagt, sie sei zu talentiert, um sich von kleinlicher akademischer Politik aufhalten zu lassen.
Er hatte ihr das Gefühl gegeben, sicher, gesehen und geschätzt zu werden. Er war ihr Held gewesen.
Sie erinnerte sich, damals gedacht zu haben, er sei wie ein sicherer Hafen für sie.
Jetzt entpuppte sich der Hafen als eine sorgfältig konstruierte Falle.
Die Wärme seines Arms um sie war eine Lüge. Sein besorgter Blick war eine Lüge. Alles war eine Lüge.
Sie war gefangen. Völlig und restlos gefangen von dem Mann, der sie nun durch die fassungslosen Zuschauer führte, seine Stimme ein leises, schützendes Murmeln an ihrem Haar, eine öffentliche Zurschaustellung einer Liebe, die nichts als ein grausames, kalkuliertes Spiel war.