„Lilah, als Erics Frau bist du seit drei Jahren ohne Kindersegen. Du solltest würdevoll Platz für jemanden machen, der es mehr verdient.“
„In Ordnung.“
Ich stimmte mit einem schwachen Nicken zu, genauso wie ich damals zugestimmt hatte, ihn zu heiraten.
In jener Nacht verschlang ein Feuer meinen Hof und riss mich aus meinem Elend.
Als ich meine Augen wieder öffnete, fand ich mich zurück an dem Tag, an dem er mir einen Antrag machte.
Aber dieses Mal weinte er und sagte: „Lilah, geh nicht.“
Meine Hände zitterten, als ich den Eimer anhob, das Seil in den Brunnen warf und mühsam daran zog.
Tag für Tag lebte ich so, ohne Dienstmädchen oder Bedienstete. Ich musste alles selbst machen und hatte mich längst daran gewöhnt.
Der ständige Mangel an nahrhaftem Essen hatte meine Hände dünn und zerbrechlich gemacht.
Ich ließ den schweren Eimer stumpf auf den Boden fallen.
Wasser holen war eine tägliche Aufgabe; ohne Wasser gäbe es nichts zu trinken oder zu waschen.
„Wirtin, bereust du es?“
Die kalte, mechanische Stimme des Systems hallte in meinem Kopf wider.
Ich konnte nur ein bitteres Lächeln zustande bringen, ohne ein Wort zu sagen.
Reue? Natürlich bereute ich es. Aber wo auf der Welt kann man ein Mittel gegen Reue kaufen?
„Lilah! Die Familie Williams ist gefallen. Jetzt bist du nichts weiter als ein verlorener Hund!“
Eric, der Marquis von Nord-Yan, protzte mit seiner Geliebten oder Mätresse vor mir.
Ich, die einst seine rechtmäßig angetraute Frau war, mit allen Ehren in sein Haus eingeführt, wurde nun von einer Geliebten erniedrigt.
In nur wenigen kurzen Ehejahren waren mein Vater, meine Mutter und beide Seiten meiner Familie in den Ruin gestürzt.
In Evregan war ich wahrscheinlich von allen vergessen.[Evregan: Ein fiktiver Ort im Roman, der den gesellschaftlichen und politischen Rahmen bildet.]
Ich, die einst strahlend und kühn war, war durch das Leben im inneren Hof allmählich abgenutzt, meine scharfen Kanten abgestumpft.
„Als Erics Frau bist du seit drei Jahren ohne Kindersegen. Natürlich solltest du zurücktreten und Platz für jemand anderen machen.“
Er streichelte zärtlich den Bauch der Frau neben ihm, seine Zärtlichkeit zu ihr stand im krassen Gegensatz zu seiner Ungeduld mit mir, fast schmerzhaft anzusehen.
„In Ordnung.“
Ich stand beim Eimer, gekleidet in grobes, raues Tuch.
Ich kämpfte nicht oder widersetzte mich, vielleicht weil ich mein Schicksal bereits akzeptiert hatte.
In den vergangenen drei Jahren war er vielleicht anfangs freundlich zu mir gewesen, aber mit der Zeit wurde er zunehmend ungeduldig, blieb oft die ganze Nacht aus. Seine Kälte und Vernachlässigung machten, dass andere noch mehr auf mich herabsahen.
In Evregan kursierten schon lange Gerüchte: Eric hielt eine Geliebte außerhalb des Hauses.
Ich hatte es immer gewusst, aber ich hätte nie gedacht, dass er sie vor mich bringen und mich zwingen würde zu gehen.
Doch er hatte mich damals angefleht.
Beim Laternenfest, unter dem strahlenden Feuerwerk, vor den Augen aller, wie konnte er das so leicht vergessen?[Laternenfest: Ein traditionelles Fest, das die Vollendung des chinesischen Neujahrs feiert.]
Oh, nein, vielleicht war ich die Einzige, die sich erinnerte.
In jener Nacht schickte ich alle Dienstmädchen und Bediensteten im Hof weg, nahm eine Kerze und setzte den ganzen Hof in Flammen.
Ich stand im Feuerschein, hörte die Schreie der Dienstmädchen und Bediensteten. Das Letzte, was ich sah, war Eric, der herbeieilte, sein Gesicht eine Maske des Schocks.
Endlich war ich frei.
Am Ende hatte ich in dieser Welt versagt.